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Energieholz: Der Übergang vom Angebots- zum Nachfragemarkt ist zurzeit in vollem Gange. Foto: Christoph Rutschmann

ZeitschriftenLesezeit 3 min.

Menge an nachwachsendem Holz lässt sich nur einmal verteilen

Nach vier Jahrzehnten kontinuierlichen und überschaubaren Wachstums steigt die Nachfrage nach Energieholz und nach Wärme und Strom aus Holz plötzlich stark an. Das bringt nicht nur neue Herausforderungen mit sich, sondern macht die Versorgungssicherheit zum Thema – Andreas Keel

«Holz gibt dreimal warm  beim Fällen, beim Spalten und beim Verbrennen.» Das geflügelte Wort ist in seinem Kern gewiss richtig, bezüglich der Energieholzversorgung leider jedoch wenig relevant. Vom kleinen Zimmerofen bis zum grossen Holzkraftwerk  2020 nutzten die insgesamt 539 166 Holzfeuerungen 5 581 624 Kubikmeter (Festmeter) Energieholz in Form von Stückholz, Schnitzeln und Pellets. Das entspricht einer Zunahme gegenüber 1990 von über 70 Prozent. Den grössten Anteil an diesem Zuwachs können die automatischen Pellet- und Schnitzelfeuerungen sowie die grossen Holzkraftwerke für sich beanspruchen. Die handbeschickten Geräte und ihr Holzverbrauch sind zwar deutlich zurückgegangen, machen aber nach wie vor fast einen Fünftel der Holz-
energienutzung aus. Zudem spielen diese kleinen Anlagen eine wichtige Rolle für die Versorgung in Krisen- und Mangellagen.

Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass jegliches Holz nach dem Kaskadenprinzip immer auf der höchstmöglichen Wertschöpfungsstufe, also wenn möglich zuerst stofflich, genutzt werden soll. Nur so nutzen wir die wunderbare Fähigkeit des Holzes zur Speicherung von Kohlenstoff in optimaler Art und Weise. Die energetische Nutzung ist einerseits den qualitativ schlechten Holzsortimenten, anderseits den stofflich genutzten Holzprodukten am Ende ihres Lebenszyklus vorbehalten. Stoffliche und energetische Nutzung sind im Übrigen keine Gegensätze, sondern ergänzen sich optimal. Denn bei der stofflichen Nutzung und Verarbeitung von Holz fallen insgesamt bis zu 40 Prozent Restholz an, welches ein hochwertiger Energieträger und ein willkommener Rohstoff für die Pelletproduktion ist.

Die Energieholznutzung nach dem Kaskadenprinzip führt zu verschiedenen Kategorien von Energieholz, die teilweise mit zeitlicher Verzögerung anfallen. In der Praxis erfolgt folgende Unterteilung: Waldholz ist naturbelassen und gelangt in Form von Stückholz oder Schnitzeln direkt beziehungsweise nach einer Trocknungszeit aus dem Wald in die Feuerungen. Landschaftsholz ist ebenfalls naturbelassen, stammt aber nicht aus dem Wald, sondern aus Gärten, Parkanlegen, Bach- und Autobahnböschungen etc. Seine saubere Nutzung ist in der Regel auf grössere Heizungen beschränkt. Restholz fällt bei der Weiterverarbeitung in Sägereien, Zimmereien, Schreinereien und anderen Holz verarbeitenden Betrieben an. Und Altholz fällt dann erst viele Jahrzehnte nach der Nutzung aus dem Wald an, ist meist behandelt und eignet sich deshalb nur für spezielle, 
grössere Altholzfeuerungen.

Dank der Schweizerischen Holzenergiestatistik des Bundesamts für Energie (BFE) ist die aktuelle Energieholznutzung relativ genau bekannt. Doch wo liegt das noch verfügbare Potenzial? Auch hier liegen zwar zahlreiche ältere und neuere Studien und Untersuchungen vor, die jedoch meistens verschiedene, stark divergierende Szenarien beinhalten. Sicher ist nur, dass sich das theoretische Potenzial von 10 Millionen Kubikmetern pro Jahr, welches dem jährlichen Zuwachs des Schweizer Waldes entspricht, aus ökologischen und ökonomischen Gründen nicht realisieren lässt. Holz-
energie Schweiz schätzt das effektiv nutzbare Potenzial in einer optimistischen Sicht auf 7,5 bis 8 Millionen Kubikmeter ein. Das ergibt ein zusätzlich nutzbares Potenzial von knapp 2,2 Millionen Kubikmetern, wobei mit zusätzlich rund 1,5 Millionen Kubikmetern der grösste Teil auf das Waldholz entfällt. Der «Kuchen» ist also bereits zu mehr als zwei Dritteln gegessen. Die Begehrlichkeiten für den letzten Drittel sind gross und teilweise nicht immer sehr klar zu beziffern.

Schnitzel in grossen Holzkraftwerken

Zurzeit sind in der Schweiz etwa 10 grosse Holzkraftwerke mit thermischen Leistungen von jeweils 10 Megawatt  (MW) und mehr in Betrieb. Diese Anlagen verbrennen hauptsächlich Altholz und Waldholz. Bei der Beschaffung des Altholzes sind in den letzten Monaten teilweise Versorgungsprobleme aufgetaucht. Einzelne Anlagen mussten vermehrt auf Waldholz ausweichen, andere sahen sich gezwungen, ihren Betrieb zu reduzieren. Einer der Gründe liegt darin, dass im Moment rund 300 000 Tonnen (450 000 Kubikmeter) Altholz, was etwa einem Drittel des jährlichen Anfalls entspricht, ins Ausland exportiert werden. Hinzu kommt der Umstand, dass der Anteil an Altholz bei Gebäudeabbrüchen in den letzten Jahren abgenommen hat. Mit Datum vom 18. März 2022 wurde im Nationalrat eine Interpellation von Gabriela Suter (SP/AG) eingereicht, welche nach Möglichkeiten fragt, «den Export von Altholz einzuschränken, sodass dieses stattdessen für die Wärme- und Stromerzeugung im Inland verwendet werden kann». 

Marktbeobachtungen ohne Anspruch auf Vollständigkeit zeigen zurzeit das Vorhandensein von zahlreichen Projekten und «Ideen» für neue grosse Holzkraftwerke. Dabei ist es jeweils schwierig zu unterscheiden zwischen konkreten Projekten, die sich bereits in der Planungsphase befinden, und unverbindlichen «Ideen», die erst näher geprüft werden. Eine Zusammenstellung all dieser Vorhaben ergäbe eine zusätzliche Nachfrage nach Energieholz von weit über einer Million Kubikmeter, sofern sie alle realisiert würden. Angesichts der grossen Holzmengen ist es angebracht, bei diesen Grossprojekten die Frage der Holzversorgung jeweils bereits frühzeitig abzuklären.

Schnitzelanlagen bis 10 Megawatt Leistung

Die mittleren und grösseren Schnitzelfeuerungen bis 10 MW-Leistung waren bereits in den letzten Jahren dasjenige Segment mit den absolut höchsten Zuwachsraten. Seit 2001 verzeichnete der Energieholzverbrauch hier eine jährliche Zunahme von durchschnittlich 50 000 Kubikmetern und entfiel zum grössten Teil auf Waldholz und auf Landschaftsholz. Auch hier zeigen Signale aus dem Markt eine deutliche Zunahme von neuen Projekten und Erweiterungen bestehender Anlagen. Im Sinne einer groben Schätzung ist davon auszugehen, dass die zusätzliche Nachfrage nach Energieholz innerhalb der nächsten 3 bis 5 Jahre um 200 000 bis 400 000 Kubikmetern ansteigen wird. Da diese Anlagen eine gewisse Vorlaufzeit benötigen und zu einem grossen Teil aus dem öffentlichen Wald versorgt werden, sind bis heute keine Hinweise auf Versorgungsprobleme bekannt geworden. 

Stückholz

Zum Stückholz gibt es zurzeit keine Informationen und Daten bezüglich der Entwicklung von Nachfrage und Angebot, sondern nur verschiedene Hinweise auf eine zunehmende Nachfrage sowohl beim Brennstoff als auch bei den Stückholzkesseln und den Öfen. Die unsichere Weltlage führt zu einem Boom auf die «Unabhängigkeit» des Stückholzes und der Stückholzheizungen. Das lässt sich unter anderem auch daran erkennen, dass heute aus gewissen Regionen Stückholz zu guten Preisen ins angrenzende Ausland exportiert wird. Aktuell umfasst der Anlagenpark der handbeschickten Stückholzfeuerungen knapp 500 000 Geräte. Diese wurden in den letzten Jahren nur sehr sporadisch genutzt. Für die nähere Zukunft bis 2025 ist von einer Erhöhung der Jahresnutzungsgrade und einem Anstieg des jährlichen Holzbedarfs auf 1,2 bis 1,5 Millionen auszugehen. Angaben über Versorgungsprobleme 
liegen nicht vor.

Pellets

Die ersten Pelletöfen und Pelletkessel wurden in der Schweiz um die Jahrtausendwende herum installiert. Aufgrund der hohen Energiedichte der Pellets und des nahezu vollautomatischen Betriebs der Pelletfeuerungen erfreute sich diese Technologie zunächst vor allem in Ein- und Mehrfamilienhäusern grosser Beliebtheit. In letzter Zeit werden Pelletfeuerungen jedoch immer mehr auch im höheren Leistungsbereich wie zum Beispiel in Wohnüberbauungen eingesetzt. 2020 lag der Anteil der Pelletfeuerungen, mit mehr als  300 Kilowatt Leistung am gesamten Pelletverbrauch, bei knapp 14 Prozent. Zwischen 2014 und 2021 hat der jährliche Pelletverbrauch in der Schweiz von etwa 200 000 Tonnen auf über 400 000 Tonnen zugenommen. Im gleichen Zeitraum ist die Inlandproduktion von Pellets von etwa 160 000 Tonnen auf 324 000 Tonnen pro Jahr angestiegen. Die Differenz liess sich jeweils problemlos mittels Importen aus unseren Nachbarländern Deutschland, Österreich und Frankreich decken. Nachdem 2021 46 Prozent mehr neue Pelletfeuerungen als 2020 installiert worden waren, stieg auch die Nachfrage auf über 400 000 Tonnen an. Ähnliche Entwicklungen lassen sich auch im Ausland beobachten. Für 2022 und den nächsten Winter geht man, je nach Strenge und Dauer des Winters, für die Schweiz von einem voraussichtlichen Bedarf von maximal 500 000 Tonnen aus. Zur Deckung dieses Bedarfs werden Importe erforderlich sein.

Der ursprüngliche Rohstoff für die Pelletproduktion waren Sägemehl und Hobelspäne. Hochrechnungen aufgrund von Angaben von Holzindustrie Schweiz und unter Berücksichtigung der aktuellen Einschnittmenge von Rundholz legen nahe, dass das Potenzial dieser «Low hanging fruits» ausgeschöpft ist. Für die weitere Entwicklung des Pelletmarkts wird es nötig sein, vermehrt auf Rest- und Waldholzschnitzel («Waldpellets») oder auf neue Biomassen (Energiepflanzungen, Pferdemist-Einstreu etc.) zu setzen. Bei grösseren Pelletheizungen wird zurzeit überdies geprüft, ob nicht auch ein Betrieb mit Qualitätsschnitzeln möglich ist.

Versorgungstransparenz

Grundsätzlich besteht noch ein beträchtliches zusätzlich verfügbares Potenzial an Energieholz, welches jedoch nicht unendlich ist. Ob und in welcher Form und in welchen Anlagen dieses Potenzial genutzt wird, hängt beim Altholz von den politischen Rahmenbedingungen und beim Waldholz letztlich von den Waldbesitzern ab, und dabei spielt der Preis sicher eine zentrale Rolle. Holz-
energie Schweiz betrachtet es grundsätzlich als ihre Pflicht, offen und transparent über die Situation der Energieholzversorgung zu informieren und gemeinsam mit der ganzen Branche dafür besorgt zu sein, dass keine Engpässe auftreten.

Mittelfristig geht es aber auch darum zu verhindern, dass neue Anlagen geplant und gebaut werden, deren Versorgung nicht gesichert ist oder lange und umweltbelastende Transporte erfordert. Auch wenn diese Situation neu und herausfordernd ist, bietet sie uns letztlich die grosse Chance, aktiv und koordinierend Einfluss darauf zu nehmen, was mit dem letzten Teil des Kuchens am sinnvollsten passieren soll.

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